Veröffentlicht am 8. Januar 2022

1000 Minuten Experiment #8: Bewusst Essen (gescheitert?)

Gedeckter Tisch mit Frühstück für eine Person. Mit Kerze, Blume und kleiner Ganesha Figur.

Im Dezember wollte ich mir Zeit und Muße für eine meiner Lieblingsbeschäftigungen nehmen: Das Essen. Ich hatte es mir ganz leicht vorgestellt. 1000 Minuten sind etwa 30 Minuten am Tag, also im Schnitt 10 Minuten pro Mahlzeit. Es sollte doch einfach sein 3x 10 Minuten am Tag in Stille und ohne Ablenkung von Medien oder anderen Menschen leckeres Essen zu genießen. Nun ja. Ich habe es rein rechnerisch nicht geschafft. Meine selbst gewählte Definition hat mich scheitern lassen. Für mich fühlt sich dieses Scheitern aber ganz anders an, als das Verpassen meines Ziels für meine Astrologie-Weiterbildung zu lernen. Warum das ein anderes Scheitern war, versuche ich in diesem Artikel zu erklären. 

Warum ich diese Reihe überhaupt gestartet habe, kannst du in meinem Artikel Gewohnheiten entwickeln mit dem 1000 Minuten Experiment nachlesen. Dort findest du auch eine Übersicht über alle bis dato abgeschlossenen Experimente.  

Meine Definition bei diesem Experiment

Ich hatte mir vorgenommen nur die Minuten der Mahlzeiten aufzuschreiben, bei denen ich alleine und ohne Medien esse. Also ohne Handy, Radio oder Zeitung. Und ohne Gesellschaft. Meine Idee war, dass ich mich alleine hinsetze und bewusst jeden Bissen genieße. 

Das war meine Definition. Jetzt nach dem Experiment ist mir klar geworden, dass diese Definition nicht gut gewählt war. Wieso habe ich Essen in Gesellschaft nicht mitgerechnet? Muss ich denn alleine essen, damit ich bewusst genießen kann? Und was ist mit der liebevollen, bewussten Zubereitung. Hätte ich die bewusste Zeit des Einkaufens, Vorbereitens und Kochens mitrechnen dürfen? 

Ich habe mir zu Beginn nicht genug Gedanken gemacht. Ich esse einfach nicht immer alleine (und im Dezember mit den Feiertagen erst recht nicht). Ich liebe das bewusste Essen in Stille und mit mir allein. Aber ich genieße auch bewusst das Teilen dieser besonderen Momente mit anderen Menschen. Ich fühle mich deshalb nicht gescheitert nach diesem Monat. 

Exkurs: Meine normal-gestörte Geschichte zum Essen

Ich möchte hier einen ehrlichen Blick in meine Vergangenheit werfen. Ich habe Essen schon früh genutzt, um mir jenseits der reinen Nahrungsaufnahme gute Gefühle zu verschaffen. Ich erinnere mich, dass ich als Kind mein ganzen Taschengeld für Schokolade, Gummibärchen und Chips ausgegeben habe. Am Liebsten in genau dieser Kombination, also möglichst viel Salz, Zucker und Fett. Mit einem Gefühl von Scham und Lust habe ich meine Schätze alleine in meinem Kinderzimmer verputzt. Es war einfach so gut.

Als Teenager und junge Erwachsene habe ich mich dann, wie wohl viele junge Frauen, zu dick gefühlt. Ich habe unzählige Diäten ausprobiert und war stundenlang im Fitness-Studio, um irgendwelche Sünden abzutrainieren. Das legte sich von selbst, als ich mit etwa Zwanzig meine erste lange Beziehung begann. Mein Gewicht war plötzlich kein Thema mehr. Ich hatte auf einmal ein Essverhalten, das normal war. Ich war stolz, dass ich alles aß, alles probierte und war frei  immer Schokolade zu Hause haben zu können. Es gab keine großen Exzesse mehr und mein Gewicht war stabil. 

Den nächsten Sprung gab es erst im Jahr 2016, als ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Yogalehrerin innerhalb von vier Wochen erst Vegetarierin und dann Veganerin wurde. Meine Gründe lagen dabei zu diesem Zeitpunkt weder bei der Gesundheit, dem Umweltschutz oder dem Tierschutz. Ich hatte einen tiefen Moment der Erkenntnis, ab dem es mir unmöglich war, jemals wieder ein Tier für mein Geschmackserlebnis leiden und sterben zu lassen. Ich wollte dem yogischen Prinzip von Ahimsa folgen. Ahimsa bedeutet Nicht-Verletzen und geht noch viel weiter als direkte Gewaltausübung. Ganz egoistisch: Ich wollte mein Karma nicht belasten, indem ich weiterhin Tiere töten lasse. 

Zu dem Zeitpunkt war mir schon klar, dass es möglich ist, sich ausreichend und gesund vegan zu ernähren. Ich wollte meinen Fragen und der Unsicherheit meiner Umgebung etwas entgegensetzen und habe mich entschieden eine Ausbildung zur veganen Ernährungsberaterin zu machen. Es war eine spontane Idee und ich habe den Studienumfang total unterschätzt. Ich habe unglaublich viel gelernt und erst in den letzten Jahren den Wert von ganzheitlicher Nahrung erfahren. Dadurch kam dann das Thema Gesundheit mehr in den Blick. Sehr ausführlich und wissenschaftlich fundiert zusammengetragen in dem Buch “How not to die” von Michael Greger. 

Aktuell versuche ich mich möglichst vollwertig zu ernähren und auf industrielle Produkte weitgehend zu verzichten. Ich esse selten vegane Ersatzprodukte, wenig Zucker und koche ölfrei (nicht fettfrei). Täglich stehen bei mir Bohnen, Getreide, Obst, Nüsse und viel Gemüse auf dem Speiseplan. Und weiterhin Schokolade. Allerdings inzwischen 100% und ohne Zucker. Meistens jedenfalls. 

Ich ernähre mich nicht perfekt. Wenn ich nicht zu Hause esse, dann wähle ich gerne einen veganen Burger, Pizza oder frittierte Falafel. Da achte ich nicht auf Vollwertigkeit. Bedeutsamer für mich ist, dass ich mich immer wieder von der Lebensmittelindustrie hinreissen lasse und in einem Dopamin-Fest aus Salz, Zucker und Fett schwelge. Obwohl ich weiß, dass es meinem Körper nicht gut tut. Hier ist ein Schlüssel versteckt. Ich möchte lernen, zumindest bewusst wahrzunehmen, dass in solchen Momenten die Körperchemie übernommen hat und das Gehirn meine Handlungen steuert: Mehr. Mehr. Mehr!

Bewusst Essen als Lebensthema

Die Auswahl unserer Lebensmittel und das regelmäßige Versorgen unseres Körpers mit allem, was er braucht (= Essen) sind das Fundament unseres Daseins. Jeder Mensch muss essen und es ist für jeden Menschen spürbar, wie verschiedene Mahlzeiten sich unterschiedlich auf Körper, Geist und Seele auswirken. Wir verbinden bestimmte Mahlzeiten mit Emotionen und spüren, was wir in welchen Situationen brauchen oder zu brauchen glauben. 

Das Problem ist das Erstarken der Nahrungsmittel-Industrie in den letzten 60 Jahren. Wir können uns leider nicht mehr auf unser Bauchgefühl verlassen. Die Industrie möchte uns immer mehr Produkte verkaufen, um weiter zu wachsen und Profit zu machen. Da wir von Natur aus nicht mehr essen müssen, arbeitet sie mit Tricks, um unsere Bio-Chemie zu manipulieren. Es werden Produkte hergestellt und gezielt (an Kinder) vermarktet, die genau das richtige Verhältnis von Salz, Fett und Zucker enthalten, so dass wir immer mehr davon essen wollen. Wir werden süchtig danach, weil unsere Gehirnchemie ausgetrickst wird.

Ich bin dankbar, dass ich das Wissen und die Fähigkeiten habe, mich gut zu versorgen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich kann nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch gut kochen kann, eine Weiterbildung im Bereich der Ernährung gemacht hat und sich regelmäßig über die neusten Forschungserkenntnisse jenseits von Sachbuch-Bestsellern informiert. Deshalb ist es mir auch so wichtig immer wieder mein Wissen zu teilen und Neugier für eine bewusste, gesunde, leckere Ernährung zu wecken.   

Ich möchte meinen Körper gesund halten, damit ich möglichst lange ihn als Werkzeug nutzen kann, um Erfahrungen auf dieser Welt machen zu können. Das Leben ist schon kurz genug. Und ich möchte nicht ein Spielball der Nahrungsmittelindustrie sein, die mit meinen Dopamin-Rezeptoren spielt. Das ist nicht einfach. Ein erster und wichtiger Schritt ist es, sich bewusst zu machen, was und wie wir essen. 

Fun Fact: Ich habe bei Schreiben dieses Artikels entgegen meines Vorsatzes eine angefangene Tüte Chips aufgegessen und ein Eis gegessen, das ich für morgen aufheben wollte. Hallo Dopamin. 

Was habe ich erwartet und wie war es wirklich

Ich habe mich auf dieses Experiment gefreut. In meiner Vorstellung saß ich jeden Tag in Stille und Muße an meinem Esstisch und freue mich über meine zubereiteten leckeren Mahlzeiten. Leider waren dann doch viele Essen in Gemeinschaft dazugekommen. Also leider, weil sie das Experiment sabotiert haben. Das Essen in Gemeinschaft ist wahnsinnig wichtig und die Zusammenkünfte waren schön und bereichernd. Mein Experiment geriet dadurch schon nach zwei Wochen in Verzug und so konnte ich das Essen kaum noch bewusst genießen, weil ich immer mehr erkannte, dass ich die fixen Minuten wohl nicht schaffen würde.   

Fundierte Erfahrungen machen 

Ich habe noch einmal deutlich erfahren, wie umfassend das Thema Ernährung und Essen ist. Wie viel Zeit wir eigentlich damit verbringen, unseren Körper zu versorgen. Ich habe erfahren, dass es nicht so leicht ist, das komplexe Thema “Bewusst Essen” in eine Definition zu pressen. Allein das, ist sehr wertvoll für mich. 

Lernen 

Ich habe gelernt, dass es ich mir meine Experimente besser definieren darf. Die Wahl für den Dezember bewusst essen zu wollen, war einfach zu schwammig. Im Rückblick kann ich an der Definition drehen und wenden. Es ist besser, wenn ich am Anfang des Monats eine Definition finde, die direkt und einfach ist. 1000 Minuten Ashtanga Yoga oder 1000 Minuten Pranayama waren klar und somit einfacher umzusetzen.  

Mehr Fokus im Alltag 

Der Fokus war bei diesem Experiment auf jeden Fall geschäft. Ich esse 3x am Tag und hatte den ganzen Dezember dabei im Blick, ob ich “bewusst essen” werde können. Wenn ich wusste, dass ich alleine war, habe ich mein Handy weggelegt und das Radio nach dem Kochen ausgeschaltet. Ich habe mich in Stille an den Tisch gesetzt und das Essen genossen. Das hatte ich zwar auch schon vorher immer wieder mal gemacht, aber nicht mit einem solch bewussten Fokus.  

Stolz auf mich sein, dass ich 1000 Minuten geschafft habe 

Ich bin stolz, dass ich trotz des rechnerischen Scheiterns mich nicht als gescheitert fühle. Ich konnte mich einen Monat lang wieder bewusst meinem Essverhalten nähern. Auch wenn ich die Minuten nach meiner eigens aufgestellten Definition nicht geschafft habe, habe ich mich mehr als 1000 Minuten bewusst mit meiner Nahrungsversorgung beschäftigt. Das beginnt mit dem Kauf der Lebensmittel, der Vorbereitung und der Zubereitung. All das würde ich das nächste Mal mitzählen und käme dann spielend auf die 1000 Minuten.   

Spaß haben 

Spaß würde ich es nicht nennen. Eher Freude am Erkennen und Ausprobieren. Am Anfang habe ich das Hinsetzen alleine sehr bewusst genossen und zelebriert. Leider ging diese Unbeschwertheit gegen Ende des Monats verloren, weil ich mit dem Blick auf die Experiment-Minuten mich unter Druck zu längeren Mahlzeiten bringen wollte. Das ist natürlich kontraproduktiv und hat die Freude getrübt.      

Was ist das nächste 1000 Minuten Experiment

Der Januar 2022 beginnt natürlich mit Zielen und Plänen für das neue Jahr. Ich werde meinen Telegram-Kanal mit den täglichen Meditationen für einen bewussten Start in den Tag in einen Podcast verwandeln. Ich habe mir gedacht, dass ich genau das als Experiment auswählen kann: 1000 Minuten Podcast. Ich möchte im Januar lernen und umsetzen. So habe ich mir gleich die Zeit für dieses Projekt eingeplant und ich habe ein Ziel, das mich motiviert. Ich freue mich jetzt schon, dass ich mit einem Podcast mehr Menschen erreichen kann. Nicht jede:r kann und möchte den Dienst Telegram nutzen. Also mache ich jetzt einen Podcast. Wie aufregend 🎤

Update: Der Podcast ist online!

Hast du vielleicht auch einen Vorsatz für 2022, den du JETZT starten möchtest? Vielleicht bewusst zu essen nach deiner ganz eigenen Definition? 

Auf meiner Themen-Sammelliste steht für Februar gerade 1000 Minuten “Nichts tun” ganz oben. Aber das kann in drei Wochen schon wieder ganz anders aussehen. Jetzt geht es erst einmal an die Technik und Umsetzung.  

Hier die Links zu meinen anderen 1000 Minuten Experimenten

 

Vielleicht sind auch diese Artikel interessant für dich

1 Kommentar

  1. Marion Kellner

    Das klingt nach einem sehr spannendem Experimet, v.a. aber nach wichtigen Erkenntnissen. Toll, dass Du das gemacht hast. Der Dezember ist vielleicht aber auch ein zu herausfordernder Monat dafür.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert