Die zwei Wochen nach der zweiten Impfung gegen Covid 19 waren vorbei und ich habe mich auf einen sicheren, entspannten Urlaub in Rimini gefreut. Am Ende wurde aus den geplanten 8 Tagen Urlaub ein Aufenthalt von insgesamt 23 Tagen. Und ich konnte erleben welche meiner Gewohnheiten in diesem ganz besonderen Ausnahmezustand gehalten haben und welche nicht.
Inhalt
Corona-Isolation auf dem Land statt Urlaub am Meer
Mein Freund war schon vor mir in seine Heimatstadt gefahren. Er war etwas kränklich, als ich eine Woche später ankam. Ich erklärte mir das mit überschwänglichen Feiern zum Gewinn der Fußball-Europameisterschaft Italiens. Kurze Zeit später bekam mein Partner dann leichtes Fieber. Er klagte über einen rauer Hals, Schnupfen und Kopfschmerzen. Eindeutig die beschriebenen Symptome der Delta-Variante. Also doch zum Test und es folgte die Bestätigung: Der Corona-Test meines Freundes war positiv, mein Schnelltest war (noch) negativ. Wir blieben zwei Tage in der Ferienwohnung, um das PCR-Test Ergebnis abzuwarten. Dann ging es ganz schnell.
Wir wurden mit einem Krankenwagen direkt von der Ferienwohnung in Rimini zu seinen Eltern 25 Kilometer im Landesinneren gefahren. Wir hatten Glück, dass die Eltern meines Partners in einem Haus mit zwei Badezimmern wohnen und wir dort die offizielle Quarantäne (korrekter Begriff für mich als Kontaktperson) bzw. Isolation (Begriff für den Infizierten) antreten konnten. Weg vom Strand von Rimini, raus aufs Land in die Campagna. Der perfekte Ort, um sich selbst zu isolieren. Keine Nachbarn, großes Grundstück, die Eltern meist auf der Arbeit und warme Temperaturen zum dauerhaften Lüften.
In den nächsten 16 Tagen wurde dieses Landhaus zu meinem Zuhause. Mit Arbeitsplatz in der Werkstatt. Gesellschaft von fünf Hühnern, zwei Katzen und einem Hund. Zucchini und Tomaten im Garten sowie ein lauter Kirchturm weiter oben im Dorf. Die Alternative wäre ein sogenanntes “Covid-Hotel” gewesen. Erst nach ein paar Tagen konnte ich das Geschenk dieser Familienunterbringung wirklich schätzen.
Chaos und Neu-Organisation weit weg von zu Hause
Nach einer schwitzigen Nacht auf dem Land dann auch für mich die die Gewissheit per Selbst-Test: positiv. Es hätte mich auch gewundert, wenn ich mich nicht angesteckt hätte. Ich mein Freund waren uns einfach zu nah, als er in Rimini die ersten drei gemeinsamen Tage gehustet, geschnupft und geschwitzt hatte.
Die ersten beiden Tage wollte ich die Situation kaum wahrhaben. Mein durchgeplantes Ich war geradezu verzweifelt. Ich wollte einfach nur nach Hause und weitermachen, wie geplant. Ich wollte nicht unvorbereitet 14 Tage zwangsweise in einem fremden Land bleiben. Aber mir blieb keine Wahl. Ich musste mich der Situation anpassen. In einem Land dessen Sprache ich nicht gut beherrsche (jetzt ist mein Italienisch schon besser), in einer ungewohnten Umgebung und ohne die Möglichkeit selbst mit den Behörden zu kommunizieren um herauszubekommen, wie die Vorgaben hier vor Ort genau aussehen.
Als erstes habe ich mir meine Laptops für meine Kundenaufträge organisiert. Ein guter Freund hat zum Glück unsere Wohnungsschlüssel und konnte mir ein Paket per DHL Express schicken. Mit dabei: 150 g Roh-Cacao und meine Reise-Yogamatte. Die hatte ich nämlich trotz meiner guten Vorbereitung vergessen. So konnte ich dann zumindest alle Arbeiten, die ich vom Home-Office aus machen konnte auch vor Ort weiterführen. So war mein Planungs-Ich schon viel beruhigter.
Rückblickend betrachtet hat mich dieses emotionale Chaos mit Tränen und vielen Telefonaten mit Familien und Freunden mehr aus der Bahn geworfen, als die wenigen Symptome, die ich drei Tage lang aufgrund der Covid-Erkrankung hatte (der Impfung sei Dank). Es erschreckt mich, dass ich es insgesamt fast eine Woche gebraucht habe, um wieder voll in Balance zu kommen.
Journaling, Meditation und Yoga im Ausnahmezustand
Zu Hause habe ich meine feste täglich Praxis, die ich auch im Urlaub oder unterwegs fortführe. Meine Morgenroutine mit Atemübungen, Meditation und Schreiben gibt mir Energie und Fokus für den ganzen Tag. An etwa 5 von 7 Tagen praktiziere ich eine Yogaklasse. Und jeden Abend schreibe ich ein paar Zeilen in mein Tagebuch in Kurzform. Unterwegs verkürze ich vielleicht einmal die Gesamtdauer der Übungen, aber die Punkte selbst bleiben fast immer gleich.
In der Ausnahmesituation der Corona-Situation konnte ich (im Nachhinein) gut beobachten, was mich in dieser extremen Zeit gut unterstützt hat und was nicht. Besonders die äußeren Umstände waren ganz anders. So war das Meditieren mit tierischer Begleitung von Hund, Katze, Huhn nicht einfach. Die Mücken haben mich gerne gestochen, lautes Mantra Singen habe ich den Eltern nicht zumuten wollen und die Hitze hat mich müde gemacht.
Journaling und Tagebuch schreiben
Das Schreiben fiel mir in der gesamten Zeit am Leichtesten. Jetzt freue ich mich darüber umso mehr, als ich meine Aufzeichnung der Tage nachlesen und reflektieren kann. Morgens habe ich mir eine Intention für den Tag gesetzt und aufgeschrieben, wofür ich dankbar bin. Am Abend ein paar Zeilen zum Tag für mein Mini-Tagebuch. So waren die Tage eingerahmt durch meine kleinen Schreibrituale.
Meditation
Meine Routine von 20-45 Minuten Sitzen in Stille habe ich in der Isolation nicht praktiziert. Dennoch habe ich an fast allen Tagen eine Art der Meditation durchgeführt. Ich habe gesprochene Anleitungen verwendet, die ich schon ewig auf meinem Handy gespeichert hatte, habe “gedankenverloren” die wunderschöne Aussicht auf mich wirken lassen, den Vögeln zugehört oder die Tiere beobachtet. Gerade hier hat die ländliche Umgebung unterstützend gewirkt, so dass mir das stille Sitzen nicht so sehr gefehlt hat.
Ich habe weiterhin jeden Morgen in meinem Kanal eine 5-Minuten-Meditation veröffentlicht. So habe ich mich durch das Teilen der Meditation selbst daran erinnert täglich dranzubleiben. Rückblickend ist das eine sehr schöne Erkenntnis für mich. Durch mein kostenloses Angebot für andere, konnte ich mir selbst in dieser Ausnahmesituation Stabilität schenken.
Yoga und Pranayama
Meine körperliche Praxis mit Yoga- und Atemübungen habe ich die erste Woche fast gar nicht durchgeführt. Es war heiss, ich war müde und ich konnte keinen guten Platz finden, an dem ich ohne Mücken und Hundebegleitung gut und kühl üben konnte. Ich musste zudem eine Woche warten, bis ich Details zum Ablauf der Quarantäne und ein konkretes Datum für das Ende des Isolation von den Behörden bekam.
Nach meinem positiven Testergebnis war ich anfangs verunsichert, ob ich mich nicht vielleicht besser schonen und mich mehr ausruhen sollte. Körperlich hatte ich mich schon nach wenigen Tagen besser gefühlt. Aber erst die innere Sicherheit, wie mein Leben die nächsten zwei Wochen ablaufen würde und wann ich nach Hause fahren kann, hat mir wieder Energie für meine Yogapraxis gegeben. Ab diesem Moment habe ich jeden Tag praktiziert. Und zwar mit Freude und Energie die schweißtreibende Ashtanga-Praxis, die ich mir im Mai 2021 angewöhnt hatte.
Annehmen, was nicht zu ändern ist
Ich habe vor fast 10 Jahren mit der täglichen Meditation begonnen und bin dennoch immer noch nicht in allen Situationen “die Ruhe selbst”. Trotz meiner vielfältigen Praxis habe ich immer noch eine Grundnervosität, die stark spürbar wird, wenn bei mir nicht alles nach Plan läuft. Genau diese Tendenz immer alles planen und kontrollieren zu wollen, hat mich damals zu Yoga und später zur Meditationspraxis gebracht. Ich weiß sehr genau, dass mich meine Praxis schon ein gutes Stück weitergebracht hat und ich immer leichter loslassen und schneller in Balance finden kann.
Diese Ausnahmesituation sehe ich inzwischen als einen wertvollen Test und eine Lektion. Alle Kontrolle und Planung wurde mir genommen. In einem fremden Land war ich durch die Sprachbarriere noch nicht einmal in der Lage in meinen sonst üblichen Organisation-Modus zu gehen. Ich konnte nicht selbst recherchieren, nachfragen und telefonieren, sondern musste all das an meinen Partner abgeben. Diese Machtlosigkeit war die ersten 2-3 Tage fürchterlich und erst langsam konnte ich die Situation annehmen. Ehrlicherweise wurde es einfacher, als mein Laptop eintraf und ich anfangen konnte meine Aufträge, Workshops und Klassen zu organisieren.
Pragmatische Lösungssuche im Ausnahmezustand
Nach den ersten aufwühlenden Tagen habe ich dann endlich in meinen Flow gefunden. Dabei hat mir einerseits meine Möglichkeit online zu arbeiten geholfen. Andererseits meine Praxis von Journaling, Meditation und Yoga wie oben beschrieben. Tag für Tag habe ich mich besser eingerichtet und konnte mit den Dingen, die da waren meine Aufgaben erledigen. Ich habe mir den Platz mit der stabilsten Internetverbindung gesucht und von dort meine Meditations- und Entspannungsklassen unterrichtet. Alle meine Teilnehmer:innen waren sehr verständnisvoll in Bezug auf Geräusche von Hund, Hahn oder Kirche im Hintergrund. Dafür bekamen sie auf Wunsch auch einen kleinen Rundgang mit Blick aufs weit entfernte Meer.
Natürlich musste ich auch manche Termine absagen. Am traurigsten war es für mich meiner 81-jährigen treuen Yogaschülerin für 3 Wochen absagen zu müssen. Sie war sehr glücklich, dass ich jetzt wieder da bin. Schade war für mich auch, dass ich einen Deutungsworkshop mit meiner Astro-Lehrerin Luisa Hartmann absagen musste. Es gab zum Glück eine Warteliste, so dass durch meine Absage eine andere Teilnehmerin nachrücken konnte. Und ich hoffe, dass bald noch einmal ein Workshop stattfindet.
Das Schöne in der Ausnahmesituation wertschätzen
Trotz aller ungewollten Unfreiheiten und Planänderungen durfte ich drei Wochen an einem wunderschönen Ort verbringen. Eine Isolation in meiner Stadtwohnung ohne Balkon wäre mit Sicherheit um einiges trostloser gewesen. Die Eltern meines Freundes haben mich sehr herzlich aufgenommen und mich sogar mit veganem Eis aus der nächsten Stadt überrascht. Ich konnte an der frischen Luft sein. Den Tag in der unterhaltsamen Begleitung von fünf Hühnern, zwei Katzen und einem Hund verbringen. Ich konnte jeden Tag Barfuß über die Erde laufen und so ganz leicht mein 1000 Minuten Experiment vom Juli zu Ende bringen. Und den Bericht dazu vor Ort schreiben.
Ich habe gelernt, dass viele meiner Gewohnheiten und meiner täglichen Praxis schon fest verankert ist. Gerade das Schreiben und das stille Beobachten dessen, was ist. Aber auch die körperliche Praxis und das Erleben und Spüren des Körpers. Ich bin froh, dass ich diese besondere Erfahrungen machen durfte. Und schon jetzt, etwa vier Wochen später, sehe ich keinen Schrecken mehr, sondern nur noch das Wertvolle und Gute.
Ich wünsche Dir, dass du in guten Zeiten Gewohnheiten und Rituale entwickelst, die dich genau dann tragen, wenn du sie brauchst. Tägliches Meditieren, Tagebuch schreiben oder eine beruhigende Atemübungen. Ich freue mich, wenn ich dich dabei unterstützen kann Gewohnheiten zu finden, die gut zu Dir passen und Dir helfen bewusst zu leben. Im Alltag und in Ausnahmesituationen 🧡
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